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Tagebuch eines Filmemachers
von Cajetan Jacob

Tagebuch eines Filmemachers von Cajetan Jacob23. Dezember 2019 - Alles eine Frage des (guten) Tons01. Jänner 2020 - Abblende4. Jänner 2020 - Jinba ittaiEin Käfig für die KameraMonitor: Powerbank:Was noch ansteht:06. Jänner - Lichterkette, oder so...09. Jänner 2020 - Der Brief - Gedanken zum Film

23. Dezember 2019 - Alles eine Frage des (guten) Tons

Wenn man beim Film vom guten Ton spricht, dann meint man meist vorzügliche Akustik. Ich spreche heute ein anderes Thema an, das schon Sergej Eisenstein in seinen berühmten Aufsätzen beschäftigt hat: Die tonale Montage. Bei jeder halbwegs ordentlichen, sprich durchdachten Produktion stellt man sich eingangs die Frage, welche Farben oder welche Grautöne man verwenden möchte. Da werden dann Mood-Boards gemacht, das sind Blätter auf denen sich Stoffe, Holzelemente, Farben usw. wiederfinden, die später im Film verwendet werden sollen. Benützt man ausschließlich die Farben des Boardes, so werden automatisch andere Farben ausgeschlossen. Sinn der Sache: Der Film bekommt sein grundsätzliches Aussehen.

In meinem neuen Set (ein Originaldrehort) herrscht als Wandfarbe ein abgetöntes Blau vor. Da der Film ein Schwarz-Weiß Film werden wird, stört mich die Farbe Blau erst einmal nicht weiter. Ich hab auch keine Blue-Screens oder ähnliches modernes Zeug vor. Das Blau gibt einen schönen Mittelton im SW. Ein SW Bild setzt sich folgendermaßen 1 zusammen:

Created with Raphaël 2.2.0LichterLichterMitteltöneMitteltöneSchattenSchattenreines Weißmittelgraudunkelgrauabsolutes Schwarz

Die Lichter markieren den hellsten Akzent des Bildes, während die Mitteltöne den Grundton bestimmen und die Schatten für die notwendigen Abstufungen im dunkleren Bereich sorgen. Die Kunst der Schwarz-Weiß Fotografie liegt dann in der jeweiligen Aufteilung der vorhandenen Töne.

Hier ein Bild mit relativ großem Mitteltonanteil:

Bild 1 - Probeaufnahme - Kamera: Cajetan Jacob

Die Töne des Bildes setzen sich wie folgt zusammen:

Vorherrschend sind hier weder ein grelles Weiß noch ein tiefdunkles Schwarz. Man beachte den kleinen weißen Bereich am unteren Ende des Grau-Spektrums. Das sind die Lichter, die der Lampenschirm am unteren Ende der Treppe erzeugt.

Bild 2 - Eine dunklere, Film Noir-artige Fassung

Man erkennt sofort, wie sich die Stimmung im Bild zu ändern beginnt. Wirkt der relativ hohe Mittelton Anteil im Bild 1 noch relativ neutral, so erzeugt die dunklere Fassung der Einstellung eine dramatischere Atmosphäre.

Die Töne gestalten sich jetzt wie folgt:

Egal ob man sich nun für die neutralere oder für die dramatischere Fassung entscheidet: Der Ton macht die Musik, oder anders gesagt: Um eine möglichst ebenmäßige Grundtonalität zu erzeugen, wird man sich für einen bestimmten Stil entscheiden müssen. Aber warum ist das so? Einer der Hauptgründe liegt an eingangs erwähnter, tonaler Montage. Wir wollen ja ein geschlossenes Raumkonzept bieten und damit sagen, dass ein Set, düster, romantisch, hell oder freundlich aussieht. Natürlich kann ein und dasselbe Set dann je nach Tageszeit anders wirken, aber in der Szene sollten die Töne entsprechend aufeinander abgestimmt sein.

Zum Noir Bild würde zB folgende Naheinstellung gut passen:

Bild3 - Testaufnahme - Kamera: Cajetan Jacob

Hat man sich für eine Grundtonalität entschieden, hat das natürlich auch Auswirkung auf die Wahl des Equipments. Schon der Gedanke in SW drehen zu wollen, schließt einen bestimmten Gestaltungswillen mit ein. Da SW keine Farbe darstellen kann, wird man beispielsweise nicht umhin kommen stärkere Kontraste zu verwenden.

Folgende Licht-Skizze beschreibt noch einmal den Treppenaufgang:

Wichtig sind natürlich auch die hier angeführten technischen Daten. Nur damit lässt sich ein Bild im Falle einer neuerlichen Aufnahme wieder ähnlich herstellen.

Eine andere Abbildungsvariante findet man hier:

Hier signalisieren die Farben einzelne Lichtquellen. Die Namen der Lichtquellen sind Produktnamen und für unsere Betrachtungen zur Tonalität unwichtig.

Nicht unerheblich für die Tonalität eines Bildes ist auch das Objektiv. Manche Linsen erreichen erst im abgeblendeten Zustand ihren vollen Kontrastumfang. Das hier verwendete Kamlan Objektiv ist so ein optisches Mittel. Es wirkt bei seiner Ausgangsblende 1,4 relativ kontrastarm, was aber kein Nachteil sein muss, denn gerade im SW Film sind weichere Übergänge oft sogar erwünscht.

Die Härte der Schatten:

Je dunkler ein Bild ist, desto mehr schattige Bereiche weist es auch auf. Die Schatten, wenn sie als Gestaltungsmittel wie hier im Treppenaufgang verwendet werden, müssen fokusiert werden um einen bestimmten Kontrast zu erzielen. Es gibt weiche und harte Schatten. Harte Schatten finden wir zB bei strahlendem Himmel. Weiche Schatten tauchen bei Bewölkung auf. Reflektierte Lichtquellen erzeugen weichere Schatten als direkte Lichtquellen.

Zurück zum Moodboard:

Kehren wir kurz zurück zu unserer Ausgangsüberlegung. Das Moodboard entscheidet auch über die Grundhelligkeit der Szene. Stellen wir uns nur einmal vor, die Frau auf der Treppe hätte ein weißes Kleid an! Wie groß wäre dann der Unterschied zum restlichen Set. Die Helligkeit, bzw. der Farbton der Kostüme kann von entscheidender Bedeutung für die Tonalität des Films werden. Auch die Aussage ändert sich dramatisch. Verschmilzt eine Figur mit dem Set oder sticht sie daraus hervor?

Film lebt von Feinheiten. Wir haben heute eine davon näher betrachtet.

01. Jänner 2020 - Abblende

Nein, keine Sorge. Wir blenden das Neue Jahr nicht gleich wieder ab. Es geht uns hier viel mehr um manuelle Objektive, deren Blendenringe ohne Einrasten funktionieren. Bei Foto-Objektiven funktionieren die Blendenringe in einzelnen Stufen. Ein Cine-Objektiv wie unser 85mm Samyang arbeitet dagegen stufenlos. Welche Unterschiede sich daraus ergeben, wollen wir heute unter die Lupe nehmen.

Hier eine manuelle Abblende:

(Anmerkung zum Datenschutz: Alle Videos liegen auf unserem Server. Es werden keine Daten von fremden Servern angefordert!)

Wie würde nun eine Abblende mit festen Stufen aussehen? Wir können das leider nicht reproduzieren, weil wir kein Objektiv mit ähnlicher Charakteristik besitzen. Die Helligkeit würde in einzelnen Stufen abnehmen. Der Effekt wäre szenisch unbrauchbar.

Um den Unterschied weiter zu verdeutlichen, setzen wir nun eine herkömmliche Abblende mit dem Schnittprogramm DaVinci Resolve:

Man erkennt natürlich sofort die folgenden Unterschiede. Beim manuellen Abblenden wird dem Bild tatsächlich Licht entzogen. (Wir schließen die Blende!) Dadurch verschwinden die ohnehin bereits dunkleren Bereiche zuerst, wohingegen die hellsten Bildteile bis zum Schluss sichtbar bleiben.

Die Abblende im Schnittprogramm nimmt keine Rücksicht auf die Logik des Lichts und blendet alles sofort und ebenmäßig ab.

Um den Effekt auch szenisch nutzen zu können, wird man aber um den Einsatz eines ND Filters nicht herumkommen. Bei unserem Beispiel haben die Lichtverhältnisse gepasst. Was passiert aber, wenn man ganz abblendet und immer noch Licht übrigbleibt? Um diesen "Missstand" zu verhindern, muss ein ND Filter für künstliche Dunkelheit sorgen. Natürlich ließe sich auch mit ISO Werten und Verschlusszeit spielen, aber das wäre nicht die feine Englische Art... Ein neuer ISO Wert würde ev. mehr Rauschen einführen und die Verschlusszeit zu abgehackten Bewegungen führen.

Und "NEIN", ich werde nicht von der Firma Manner gesponsert. Es war nur das erste greifbare Objekt für unseren kurzen Test. Sie dürfen mir aber gerne ein paar Schachteln schicken, so ist das ja nicht...

4. Jänner 2020 - Jinba ittai

Die fernöstliche Designphilosophie, wie sie etwa auch der Auto Hersteller Mazda verwendet, ist in Japan zum geflügelten Wort für ideales Design geworden. Wörtlich übersetzt meint es das perfekte Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd. 2

Ein Käfig für die Kamera

Mit dem Einzug der digitalen Revolution in der Mitte der neunziger Jahre, fanden immer mehr klassische Foto-Apparate ihren Weg in die Welt des Filmemachens. Am Anfang hab ich diese Erscheinung noch belächelt, bis mich etwa vor zwei Jahren die Firma Fujifilm umgestimmt hat. Gänzlich? Nun ja. Nicht ganz, denn natürlich gibt es noch große Unterschiede zwischen Filmkameras und welche die es noch werden wollen. Letztere zeichnen sich durch einen erschwinglichen Einstiegspreis aus, werden aber rasant teurer, wenn man sie auch professionell nutzen möchte. Der Nachteil ist aber auch gleichzeitig ein Vorteil, denn erstmalig funktioniert es nicht nur auf dem Papier. Man kann hervorragende Werke mit diesen Hybriden schaffen, wenn man es versteht, den Kameras den richtigen Feinschliff zu verpassen. Im Internet ist viel zum Thema Rigging zu lesen. Gemeint ist, das Tauglichmachen einzelner Fotokameras um sie dann wie Filmkameras nutzen zu können. Nach fast einem Jahr umfangreicher Recherchen darf ich hier den ersten Teil unseres Kamera-Rigs präsentieren.

Was unser Rig so besonders macht, ist die Tatsache, dass wir uns nicht von prächtigen YouTube Videos verleiten haben lassen. Stattdessen haben wir uns immer wieder gefragt: Was brauchen wir wirklich?

Leitsatz war für mich immer: Wir müssen den kleinen Formfaktor so gut wie möglich ausnutzen, um dynamisch bleiben zu können. Filmemacher haben Jahrzehnte darum gekämpft, kleinere Kameras mit gleichbleibender Leistung zu bekommen.

Nach Analyse besagter YouTube Videos war mir schnell klar, dass die gezeigten Lösungen selten praxisnah waren. An den Kamerakäfigen wurden allerhand Arme und Gelenke geschraubt. Beim Szenenwechsel zieht man das dann entweder vorsichtshalber mit einem Kantschlüssel nach, oder alles klappt in sich zusammen, wenn man das Stativ packt und ein paar Meter weiter wieder aufstellt, oder man bekommt einen Kabel-Kollaps und stranguliert sich selbst und das teure Equipment im Kabelsalat. Nein, so geht das nicht. Minimalismus war angesagt.

Monitor:

Zähneknirschend nahm ich zur Kenntnis, dass die Position oberhalb der Kamera wohl wirklich die bessere ist. Allerdings bin ich auch heute noch nicht sicher, ob einen dieses "Darüber" nicht einen unnatürliche Blickwinkel einnehmen lässt. Schließlich ist das Objektiv entschieden niedriger angebracht, als bei einem herkömmlichen Klapp-Display. Die Zeit wird zeigen, ob man deshalb auch perspektivisch falsch denkt. Als Kamera Monitor haben wir den Fotga gewählt, weil er klein und leicht zu bedienen ist. Außerdem bietet Fotga immer wieder Firmware Updates an, die tatsächlich Sinn machen. In einem wurde beispielsweise die Helligkeit erhöht und in einem anderen die Farben des digitalen Kinoformats implementiert. (Auf technische Begriffe verzichte ich hier lieber, sonst wird es zu kompliziert.) Die HDMI Ausleitung zu meinem Regie Monitor funktioniert damit auch prima.

Powerbank:

Die Frage war: Batterie-Halter kaufen, oder nicht. Ich habe mich dagegen entschieden, weil die Powerbank mehrere Geräte (in Summe zwei) gleichzeitig mit Strom versorgen kann und nebenbei sogar noch den Akku der Kamera auflädt.

Was noch ansteht:

Ein einfaches Follow Focus im Handbetrieb, Spiralkabeln und Gleitschienen. Außerdem ein neues Stativ System, dass die geballte Last dann tragen wird.

Über Sinn und Unsinn dieses Aufbaus werden die kommenden Wochen entscheiden. Ich werde jedenfalls weiter darüber berichten.

06. Jänner - Lichterkette, oder so...

Während wir noch auf das restliche Equipment warten, haben wir beschlossen, unsere Objektive einmal genaue zu untersuchen. Wie verhalten sie sich, wenn wir sie alle auf die selbe Blende einstellen? Gesagt getan und Unregelmäßigkeiten waren eigentlich kaum festzustellen. Zumindest nicht in SW und das ist ja gerade für uns und unser neues Filmprojekt relevant.

NameDaten
Samyang85 mm | f 1.5
Voigtländer Color Ultron (70iger Jahre)50 mm | f 1.8
Fujifilm35 mm | f 2.0
Kamlan28 mm | f 1.4
Samyang12 mm | f 2.0

Die Objektive hatten alle den selben Abstand zum Objekt und waren auf Blende 2.8, (Kamera: 1/50stel, ISO 320) gestellt. 2.8 deshalb, weil viele lichtstarke Objektive hier beginnen, besonders scharf zu werden. Die Daten in der Tabelle entsprechen dem Kleinbildformat, während die Daten auf der Bild Collage bereits in APSC umgerechnet wurden.

Die Helligkeitsverteilung entspricht in etwa unseren Erwartungen. Viel zu kritisieren gibt es hier überraschenderweise nicht.

Die Objektive können also relativ problemlos aufeinander geschnitten werden. Als nächstes werden wir uns übrigens den minimalen Schärfeabstand ansehen. Unser neuer Film wird "Der Brief" heißen. Es gibt also etwas zu lesen. Mal sehen, wie sich die Objektive bei dieser Herausforderung anstellen werden.

09. Jänner 2020 - Der Brief - Gedanken zum Film

Während ich Collagen wie die obere anfertige, denke ich gerne über die Dramaturgie meines Films nach, überfliege im Geiste alle Einstellungen und alle Dialoge. Stimmt die Atmosphäre? Sitzen die Regie Anweisungen? Eigentlich unnötig, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich hab mich noch nie auf den Erfahrungen meiner bisherigen Arbeiten ausruhen können, denn jeder Film ist anders und anders schwierig. Der Brief hat eine besondere Herausforderung. Er ist ein Ein-Personen-Film. Minimalistisch. Das heißt aber nicht billig, sondern geplant. Während frei nach Adolf Loos Ornament Mehrarbeit bedeutet, so heißt Minimalismus für mich mehr Denkarbeit. Im Wenigen muss alles stimmen. Ein Gericht, das nur wenige Zutaten hat, kann traumhaft schmecken. Erdäpfel mit Butter und Salz zum Beispiel. Drei Zutaten. Ist die Butter ranzig, ist der Geschmack im Eimer. Film ist auch so ein fragiles Gebilde. Eine Filmstory bricht bei jeder noch so kleinen Kleinigkeit in sich zusammen. Tricks und Explosionen großer Hollywood Filme sind einfach. Man benötigt nur Geld und Fachleuchte. Beim Minimalismus sieht es anderes aus. Ein Kommerzkracher ist vergleichsweise so, wie die Headline einer reißerischen Zeitung. Ein minimalistischer Film dagegen ist wie die Handschrift eines Dichters, oder der Pinselstrich eines Malers, der auf einer Stoffserviette ein Bild skizziert. Das Wort Skizze trifft es nicht schlecht. Die Skizze lässt weg und aus. "Was bedeutet Zeichnen?" - "Zeichnen bedeutet weglassen!", das hat Max Liebermann einmal geantwortet und die große deutsche Philosophin Hanna Gerl Falkovitz hat dann hinzugefügt: "Und das Weglassen bedeutet Eleganz." Das Sagen und das Nichtsagen ist auch eine Frage der Schauspielkunst. Was sagt man laut und was nur leise? Was lässt man weg, oder: Was stellt man in den Raum, weil man es weggelassen hat? Ist nicht die Abwesenheit eine dieser großen und letzten Künste in der Schauspielerei? Das Nichtweinen, wenn es alle erwarten. Das Nichtschreien, wenn das Publikum schon tobt? Die Überraschung, so sie von innen kommt, hat immer etwas Qualitatives, weil sie unberechenbar ist. Rechnen rechnet sich nämlich nicht. Schon gar nicht beim Minimalismus. Rechnen kommt von Rache und es rächt sich, wenn man beim Spielen zu viel Berechnung an den Tag legt. Jetzt sind wir bei der Natürlichkeit angelangt. Natürlichkeit ist dann ethisch, wenn das Künstliche, das gegenseitig zum Natürlichen steht, lächerlich wäre. Menschliches Leid wirkt dann lächerlich, wenn es berechnend gespielt wird, wenn man nicht auf Augenhöhe geht, sondern vielmehr glaubt, sich mit Technik davonstehlen zu können. Nichts gegen die Technik! Im Griechischen bedeutet Technik Kunst, oder meinetwegen Kunstfertigkeit. Eine dramatische Rolle sollte aber, man verzeihe mir das Wortspiel, nicht fertige Kunst sein. Sie sollte nicht rezeptartig abrufbar sein. Jetzt sind wir schon wieder beim Kochen angelangt, aber selbst ein Rezept ist interpretierbar. Minimalismus bedeutet also eine Lösung für ein komplexes Problem einfach aussehen zu lassen. Mit einfachen Mitteln. Nix da, einfach! Einfache Mittel hat es nie gegeben. "Einfache Mittel..." So sprechen nur Materialisten. Roland Emmerich hat in seinem Film Independence Day einen Moment, wo sich ein Schatten über die Stadt zieht. Wie er das gemacht hat, haben ihn Special Effects Fachleute gefragt: "Ich hab einen LKW vor dem Model der Stadt stehen gehabt. Der LKW warf seinen Schatten auf das Model. Wir haben ihn langsam weggefahren. So hat sich der Schatten bewegt." Die Herren und Damen von der Special Effects Abteilung waren verblüfft. Ein einfaches Mittel könnte man sagen, aber was soll daran einfach sein, wenn hochspezialisierte Fachleute nicht darauf kommen? Solange die Einfachheit nicht einfältig wird, ist sie ein geniales Element des Schöpfertums. Im ersten Buch, dass ich jemals über das Filmemachen gelesen habe, blieb mir folgende Passage in Erinnerung: Was ist das Wesen der Bildkomposition? - Einfachheit - Klarheit und Ordnung. Minimalismus im Bild will etwas aussagen. Es will etwas entbergen. Entbergen. Ein schwieriges Wort. Martin Heidegger hat es verwendet. Dem Dinghaften etwas entnehmen. Das Dinghafte war das, was der Maler vor sich sieht, wenn er zu malen beginnt, oder der Bildhauer, der in einem Stück Holz einen Körper erkennt. Dieser Bildhauer erkennt etwas, was nur er erkennt in diesem Stück Holz und das Holz ist das Dinghafte. Es hat das Ding schon in sich und wartet nur darauf, dass der Künstler es ihm ankennt und es ihm entlockt. Der Film "Der Brief" hat mit dem Schreiben des Briefes begonnen und jener Brief hatte ebenso das Dinghafte bereits in sich. Das Überraschende daran wird sein, dass ich nicht den Brief sondern das Lesen inszenieren werde. Damit begebe ich mich in unbekanntes Terrain. Achtung: Scheitern ist möglich. Wie schön! Scheitern bedeutet ja, dass man etwas wagt, dass man nicht die gewohnte Route geht. Alleine die Möglichkeit überhaupt scheitern zu können, spricht ja schon von künstlerischem Gestaltungswillen. Das Wort "Scheitern" kommt ja tatsächlich vom Holz, das man in Scheite spaltet. Da ist eine Entscheidung fällig. Wie schlage ich mit dem Beil zu? Wenn jemand scheitert, dann hat er sich zumindest entschieden. Laut Kirkegaard begeht die größte Sünde derjenige, der nicht in der Lage ist, sich zu entscheiden. Das gefällt mir. Das finde ich gut. Dazu sollten Kurzfilme auch gut sein. Sie sollten einem ermöglichen zu scheitern. Freilich möchte ich nicht scheitern, aber das Scheitern soll mein willkommener Gast sein. Es soll mich verfolgen wie der Schatten am lichten Tag. Wir werden sehen, wo ich im Emmerichschen Sinn dann meinen LKW parken werde, um am Ende doch nicht zu scheitern!


1 Natürlich sind die Abstufungen unendlich feiner. 8 Bit umfasst beispielsweise 256 Graustufen, während 10 Bit bereits 1024 umfassen!